Scherbenherz - Roman by Day Elizabeth

Scherbenherz - Roman by Day Elizabeth

Autor:Day, Elizabeth [Day, Elizabeth]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Wilhelm-Goldmann-Verlag
veröffentlicht: 2011-09-06T22:00:00+00:00


Charlotte

Charlotte hatte sich bereit erklärt, sich nach Büroschluss mit Gabriel in ihrem Lieblingspub auf einen Drink zu treffen. Sie ahnte, dass es der bewusste Versuch seinerseits war, das prickelnde Gefühl der Anfangszeit ihre Beziehung wiederzubeleben, den unterschwelligen Spannungen zwischen ihnen entgegenzuwirken, zur Normalität zurückzukehren. Was man auch immer unter Normalität verstehen mag, dachte sie und bestellte ein Glas Weißwein der Hausmarke.

»Chardonnay oder Sauvignon?«, erkundigte sich die Frau hinter der Theke, eine verhärmte Vierzigjährige mit gefärbtem blondem Haar und einem purpurroten T-Shirt, unter dem sich über der Taille stattliche Rettungsringe abzeichneten.

Charlotte überlegte kurz, welcher von beiden wohl weniger scheußlich schmecken würde. »Sauvignon, bitte.«

Der Wein kostete drei Pfund achtzig und roch nach Alleskleber. Sie trank einen Schluck, ging mit ihrem Glas zu einem Ecktisch, rutschte vorsichtig auf der dunklen Holzbank an die Wand, um nichts zu verschütten. Irgendwie schaffte sie es stets, zu viele Tüten mit sich herumzuschleppen, und als sie versuchte, diese unter dem Tisch zu verstauen, gab ihr Handy den vertrauten Piepton von sich. Sie hatte eine SMS erhalten. »Komme etwas später. Dauert nicht lange. Entschuldige. Liebe dich, G.«

Sie sah auf die Uhr. Es war bereits halb acht Uhr abends. Sie selbst war wieder einmal spät dran gewesen. Dummerweise hatte sie gerade ihre U-Bahn-Lektüre, einen Roman, beendet. Sie hatte daher nichts anderes zu lesen als eine knittrige, leicht feuchte Ausgabe des Evening Standard. Sie blätterte planlos durch die Seiten, von denen eindeutig der Geruch schalen Biers aufstieg. Ihr Blick fiel auf die Story über ein unwichtiges Mitglied der Königsfamilie auf der dritten Seite, das eine Expedition zum Kilimandscharo für wohltätige Zwecke unternommen hatte. Außerdem gab es die üblichen langweiligen Meldungen über U-Bahn-Streiks und kontroverse städteplanerische Konzepte. Es dauerte nicht lange, bis ihr nichts anderes mehr übrig blieb, als das Kreuzworträtsel auf der letzten Seite zu lösen. Nachdem sie auch das hinter sich gebracht hatte, begann sie mit dem Sudoku, kam jedoch nicht weit. Ihre Gedanken schweiften immer wieder ab. Sie sah erneut auf die Uhr. Zehn vor acht. Charlotte wurde immer gereizter, was kein gutes Zeichen war. Ihre schlechte Laune drohte, den Abend schon von Beginn an zu verpatzen. Sie kannte sich: Wenn sie sich erst in etwas hineinsteigerte, dauerte es nicht lange und sie spielte verrückt. Sie malte sich dann automatisch die schlimmsten Szenarien aus. Das wiederum verstörte sie, weckte ihr Misstrauen und machte sie gleichzeitig traurig und wütend. Um fünf vor acht kam Gabriel mit einem kalten Windhauch durch die Tür, ließ seinen Blick gestresst durch den Raum schweifen, das Haar vom Wind zerzaust, den Regenmantel unordentlich zugeknöpft.

Dann sah er sie und lächelte. Seine Haltung entspannte sich.

»Ah, da bist du ja«, seufzte er und ging zu ihr. »Tut mir schrecklich leid.«

»Schon in Ordnung«, sagte Charlotte und wusste, dass ihre Stimme das Gegenteil verriet.

»Was trinkst du?«

»Farbverdünner.«

Er lächelte gequält. »Herrje. Kann ich dir was anderes bestellen?«

»Nein, nicht der Mühe wert. Hat mich schließlich fast vier Pfund gekostet. Ich ziehe das jetzt durch.«

Er wirkte erleichtert. Die Atmosphäre entspannte sich etwas.

»Gut. Ich gehe nur schnell zur Toilette und hole mir dann noch einen Drink.



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